Leseteufel Deutsch

Hahn Ulla

    Das verborgene Wort

DVA, Stuttgart/München 2001

Precht

 Wieder mal eine voluminöse Autobiographie, diesmal einer inzwischen etwa 60jährigen Autorin. Und Ulla Hahn wartet mit allem auf, was so eine Lebensgeschichte bedeutend und einmalig zu machen verspricht.

Schon mit 4 Jahren liebt die kleine Hildegard die Sprache, entdeckt mit Hilfe des Großvaters das “Zauberwort”, das die Welt zum Singen bringt. Welch ein kleines Genie doch Ulla Hahn war, wenn man ihr Glauben zu schenken bereit ist. Das jedoch fällt immer schwerer, je weiter sich der Leseteufel in diese dialektschwangere Welt am Rheinufer vorarbeitet. Selbst auf einem Dorf im ach so rückständigen Bayrischen Wald aufgewachsen, hat das Leseteufelchen Mühe, an so viel Rückständigkeit und katholische Borniertheit im Rheinischen zu glauben. Kann es sein, dass es zur gleichen Zeit im hintersten Bayrischen Wald in Schule und Kirche soviel liberaler zugegangen ist? Oder trägt hier jemand nur so dick auf, um einerseits die Leidensfähigkeit  der Protagonistin zur Schau zu stellen, andererseits ihre um so erstaunlichere Einzigartigkeit?

Hildegard sucht schon früh Zuflucht in der Literatur, während ihr Elternhaus, kleine Leute, der Vater Hilfarbeiter und brutal, die Ambitionen des kleinen Mädchens zu zerstören sucht, was natürlich niemand gelingt. Klein-Hildegard geht auf die weiterführende Schule, schließt als Klassenbeste ab, darf aber nicht aufs Gymnasium wie der jüngere Bruder, sondern muss in der Fabrik malochen. Wäre das Elternhaus wirklich so bildungsfern gewesen, hätte wohl auch der Bruder eine andere Laufbahn einschlagen müssen. Viele solche Ungereimtheiten stören.

Hahn erschafft sich einen fiktiven Kosmos von miefigem Kleinbürgertum, bigott, abergläubig, bevölkert mit den merkwürdigsten Gestalten, die wie in einem Stationendrama auftauchen und wieder in der Versenkung verschwinden, nur dazu geschaffen, die Einzigartigkeit der literaturgeschwängerten Hauptfigur zu beleuchten.

Ich muss gestehen, dass ich große Teile dieses Romans eher quer gelesen habe, vor allem die langen, ermüdenden Dialektpassagen und redundanten Schilderungen.