Leseteufel Deutsch

Bronsky Alina

    Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche

Kiepenheuer&Witsch, Köln 2010

Precht

Alina Bronsky, Jg. 1978, lebte bis zu ihrem 16. Lebensjahr jenseits des Ural, bis sie mit ihrer Familie nach Deutschland kam und jetzt mit diesem Buch ihren zweiten Roman vorlegte.

Sie schlüpft hier in die Figur ihrer tatarischen Großmutter Rosalinda, um die Geschichte ihrer Familie in der Ich-Form zu erzählen. Rosalinda Kalganowa ist eine schöne, resolute und gerissene Frau, die viel zu früh Großmutter wird, nachdem sie alles versucht hat, um ihre Tochter Sulfia zur Abteibung zu zwingen. Sie schließt die Enkelin Aminat allen Widernissen zum Trotz ins Herz und betrachtet sie als ihr Eigentum. Während ihre eigene, etwas blasse Tochter versucht, sich dem Einfluss ihrer Übermutter zu entziehen, fallen Rosalindas Erziehungsbemühungen bei Aminat auf fruchtbaren Boden. Auch äußerlich gleicht sie eher ihrer Oma als ihrer farblosen Mutter.

Die Männer spielen in diesem Roman allesamt eine klägliche Rolle, werden von Rosalinda fast nach Belieben manipuliert und schleichen sich folgerichtig allesamt davon.

Als die Verhältnisse in der zusammengebrochenen Sowjetunion immer schwieriger werden, plant Rosalinda die Flucht ins gelobte Land, Deutschland. Friedrich, ein deutscher Journalist, der sich besonders für die tatarische Küche interessiert, wird ihr williges Opfer. Sie merkt, wie sehr er in die hübsche Aminat verliebt ist und bringt ihn so weit, alle drei Frauen nach Deutschland zu holen. Statt Aminat setzt Rosalinda ihm Sulfia vor, die er heiraten muss, damit die Behörden von seinen abseitigen Neigungen nichts erfahren.

All diese mit großem Selbstbewusstsein und erheblicher Chuzpe eingefädelten Machenschaften fordern ihren Preis, was Rosalinda erst wirklich realisiert, als Aminat verschwindet und Sulfia stirbt.

Rosalinda bringt sich durch, indem sie als Putzfrau arbeitet, was sie keineswegs erniedrigend findet. Sie bewundert sich selbst, wie tüchtig sie ist und wieviel besser sie putzen kann als diese faulen deutschen Frauen. Überall sucht und findet sie ihren Vorteil, bis sie schließlich über all dem zusammenbricht.

Aber der Engländer John, dessen Haushalt sie geführt hat, nimmt sie auf und kümmert sich um sie. Die Enkelin gewinnt “Deutschland sucht den Superstar” und unverdrossen bewundert Rosalinda sie aus der Ferne.

Ein grandioses Buch, zu vergleichen mit Marina Lewykas “Geschichte des Traktors auf Ukrainisch”. Bronskys gnadenlos skurrile Sicht auf das Leben und ihr frischer, unverblümter Stil machen die Lektüre zu einem nachdrücklichen Leseerlebnis.