Leseteufel Deutsch

Schmidt Kathrin

    Du stirbst nicht

Kiepenheuer&Witsch, Köln 2009

Precht

Der Titel dieses bis in die Details autobiographischen Romans ist gleichzeitig sein Schlusssatz. Kathrin Schmidt erzählt darin mit der Figur der Helene, anfangs lakonisch, unzusammenhängend, von ihrem langen Genesungsweg nach einem Schlaganfall, den sie mit 44 Jahren erlitten hat.

Zu Beginn befindet Helene sich orientierungslos in den Händen bedingt geeigneten Pflegepersonals in der Intensivstation, erkennt weder sich noch ihren Mann Matthes, der sich aufopfernd um sie kümmert und dafür sorgt, dass sie zuerst in die stroke unit, dann in eine geeignete Reha kommt.

In Gedankenfetzen kommt bruchstückhaft ihre Erinnerung zurück, der sie sich stellen muss: Ihre komplizierte kinderreiche Patchworkfamilie, ihre Liebe zu Viola, einer Transsexuellen, ihre geplante Trennung von ihrem Mann, die das Aneurysma verhindert hat.

Jetzt ist sie völlig abhängig von den Pflegepersonen  und ihr Körper, vor allem ihre Sprache, ihr bis dahin größtes Gut, gehorchen ihr nicht mehr. Ein wenig erinnert das an “Still Life” von Joy Fielding, auch wenn Schmidt natürlich einen hohen literarischen Anspruch hat, den sie mit ungewöhnlich präzisen, immer überraschend eigenständigen Sprachbildern auch einlöst: “Wut will hochkochen, aber ehe sie aufschäumt, kann Helene sie kleiner drehen. Glück gehabt.” (S. 124)

Anfangs verfolgt der Leseteufel diese Krankheits- und mühevolle Genesungsgeschichte fasziniert, voller Anteilnahme. Dann jedoch schleicht sich der Verdacht ein, auch diese vordergründige Erzählklammer diene letztlich bloß dazu, sich der eigenen Biographie in all ihren Brüchen und Widersprüchen zu versichern. Und so einzigartig, wie Schriftsteller immer wieder glauben, ist dieses Sujet halt doch nicht.