Leseteufel Deutsch

Perutz Leo

    Nachts unter der steinernen Brücke

Zsolnay, Wien 2000

Precht

1953,  also kurz vor seinem Tod 1957, veröffentlichte Perutz diesen seinen letzten Roman, an dem er sein Leben lang geschrieben hat, wie Hans-Harald Müller im ausführlichen Nachwort berichtet. Er kehrt darin nach Prag, in die Stadt seiner Kindheit zurück; allerdings spielt die Handlung um 1600, zur Zeit des kunstsinnigen Kaisers Rudolf II, der auf Grund seiner Sammelwut ständig in finanziellen Schwierigkeiten steckt und sich deshalb im Geheimen mit Mordechai Meisl, dem reichen Bankier der Prager Judenstadt, zusammentut, um an “Meisls Gut”, wie der Roman ursprünglich hieß, zu gelangen.

Obwohl Perutz sein Leben lang wenig religiös war, anfangs als Versicherungsmathematiker in der gleichen Versicherung wie Kafka gearbeitet hat, und sich in dem zunehmend orthodox-religiösen Klima seines Exils in Palästina recht unwohl gefühlt hat, lässt er hier die geheimnisvolle, von Wundern und seltsamen Bräuchen erfüllte Welt des Prager Judentums aus alter Vorzeit wieder erstehen. Anders als “Der Golem” von Gustaf Meyrink wirkt die in 15 Novellen erzählte Geschichte arg kunstgewerblich, naiv märchenhaft. Die einzelnen Puzzlestücke der Handlung werden zusammen gehalten durch den allmächtigen Rabbi Löw, der immer wieder helfend oder strafend eingreift und dabei durchaus wundertätig wirkt.

Ein anderes durchgehendes Motiv ist die im Vagen gehaltene Liebesgeschichte zwischen Kaiser Rudolf und Esther, der schönen Frau des reichen Meisl.

Dass dieser Roman in der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts einzigartig sein soll, wie Müller im Nachwort vollmundig erklärt,  will sich dem Leseteufel nicht recht erschließen. Er erinnert eher an Michael Chabons “The Yiddish Policemen´s Union” von 2008, das ja auch reichlich  nostalgisch jüdische Folklore aufarbeitet.