Leseteufel Deutsch

Mercier Pascal

    Der Klavierstimmer

btb Random House, München 2000

Precht

Das ist jetzt der dritte Roman von Pascal Mercier und ich zeige große Ermüdungstendenzen. Vielleicht sollte ein Lektor dem Autor raten, eine Schaffenspause einzulegen, denn seine zugegeben artifizielle Suada fließt allzu üppig. “Perlmanns Schweigen”, sein Erstling, war grandios, beängstigend authentisch in der Handlung und sprachlich ein Erlebnis. Schon die Hauptfigur in “Nachtzug nach Lissabon”, ein alternder Altphilologe, konnte den Lesteufel nicht wirklich für seine Probleme interessieren, die Figurenwelt dieses dritten Romans lässt ihn vollends kalt.

Die Geschichte ist übervölkert mit feingeistigem Personal, ein jeder hat ein ach so originelles Schicksal. Warum konzentriert sich Mercier (in Wirklichkeit Peter Beiri) nicht auf seine Hauptfigur, den Klavierstimmer Fre´de´ric Delacroix, eigentlich Fritz Bärtschi, dessen unerwiderte Liebe zur Kunst des Opernkomponierens ihn zu einer wahrhaft tragischen, glaubhaften Figur werden lässt. Keine seiner Opernkompositionen wird angenommen, sein letztes Werk “Michael Kohlhaas” öffnet ihm schließlich die Augen dafür, dass er nicht komponieren kann, sondern zufrieden damit sein sollte, ein hervorragender Klavierstimmer zu sein. Höre ich da Autobiographisches heraus, vom  Philosophieprofessor Mercier in Berlin?

Als würde Mercier nicht an die Tragfähigkeit dieser Geschichte glauben, muss die Hauptfigur erwachsene Zwillinge mit den kitschigen Namen Patrice und Patricia haben, die sich erst völlig von den Eltern abwenden und dann, nachdem die Katastrophe über ihre Vorfahren hereingebrochen ist, zurückkommen um sich gegenseitig in langatmigen Aufzeichnungen ihr Verhältnis zu den Eltern von der Seele schreiben. Dazu kommt die inzestuöse Beziehung der beiden, eine morphiumsüchtige Mutter und die märchenhafte Auflösung, dass der von ihrer Mutter auf offener Bühne erschossene Tenor der leibliche Vater der Zwillinge ist. Kitsch pur!

Was soll das alles? Wer will sich da über sein Verhältnis zum Vater klar werden? Nur äußerste Hartnäckigkeit und der Glaube daran, dass Mercier eigentlich ein begnadeter Schriftsteller ist, haben den Leseteufel zu Ende lesen lassen. Es hat sich nicht gelohnt. Am Schluss fragt sich der Autor und wir mit ihm “Oder ist die stille Beschäftigung mit Worten die wirkungsvollste Art, das Leben zu verändern - wirkungsvoller als die lauteste Explosion?” Die Betonung würde ich hier auf “still” legen.