Leseteufel Deutsch

Lütz Manfred

    LebensLust

Pattloch, München, 2002

Precht

Der Autor, Chefarzt eines psychiatrischen Krankenhauses und gleichzeitig gelernter Theologe, jedenfalls mit sehr vielen Titeln, lässt sich hier mit erfrischender Deutlichkeit über die Krankheiten unseres Gesundheits- und Gesellschaftssystems aus. Die ersten zwanzig Seiten liest man mit höchstem Vergnügen, alle Sätze ließen sich mühelos in einer Diskussion zitieren, so treffsicher spottet Lütz über unsere Gesellschaft.
Beim Weiterlesen stellt sich ein gewisser Ermüdungseffekt ein, nach 50 Seiten beginnt sich alles zu wiederholen. Hätte Lütz ein feuriges Pamphlet mit 20 Seiten konzentrierter Kritik geschrieben, er bliebe unübertroffen. So jedoch dämmert es dem Leser: Hier will einer zwar über die zeitgenössische Ratgeberliteratur kräftig herziehen, hat aber selbst im Grunde nichts anderes geschrieben. Schade! In seinen Schlussbemerkungen zeigt Lütz, dass ihm dieses Dilemma bewusst ist. “Getretner Quark wird breit, nicht stark” um wieder einmal Goethe zu zitieren.
Trotzdem, es ist löblich, seine Stimme deutlich zu erheben gegen den ganz alltäglichen Wahnsinn in unserer Gesellschaft: “Gesundheit wird religiös verklärt,... die Gesundheitsreligion ist die neue Erlösungsreligion schlechthin.” ( S. 5)
Demgegenüber erinnert Lütz an die Heilsversprechen und Segnungen der katholischen Religion sowie deren seit dem Barock überlieferten Lust am irdischen Dasein. Wenn ich ihn richtig verstehe, meint er, statt sich irgend welchen Ersatzreligionen  und fernöstlichen Weisheiten zuzuwenden, sollten die Menschen sich an das Original halten. Wie wahr!
Als Lebensmotto gefallen  mir als Barockliebhaber die tanzenden Skelette auf der Umschlagrückseite recht gut
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