Leseteufel Deutsch

Kühl Olaf

    Der wahre Sohn

rowohlt, Berlin 2013

Precht

Olaf Kühl (Jg. 1955) hat als Slawist jahrelang aus dem Polnischen und Russischen übersetzt, bis er mit seinem zweiten Buch “Der wahre Sohn” 2013 gleich auf der Auswahlliste zum deutschen Buchpreis gelandet ist.

Und der Leseteufel kann das gut verstehen, denn im Gegensatz zu vielen anderen seiner Zunft kann Kühl hervorragend mit Sprache umgehen. Es hat ja einen besonderen Reiz, wenn einmal nicht amerikanische Sprachfetzen durch einen Roman geistern, sondern russische, auch in kyrillischen Buchstaben gedruckt.

Worum geht es? Konrad Krinitzki, Enddreißiger, in einer abgestandenen Beziehung in Berlin lebend, spürt für eine Versicherung nach Osteuropa verschobene deutsche Luxuslimousinen auf.

Diesmal muss er in Kiew einen gestohlenen Mercedes 500 finden. Er ermittelt voller Eifer, wenn auch mit eigenwilligen Methoden, unterstützt von einem ukrainischen Rechtsanwalt. Der Leseteufel folgt ihm bereitwillig durch die exotisch benannten Straßen Kiews, glaubt gern, dass Kühl mehrere Monate in der Stadt recherchiert hat.

Als Konrad erfährt, dass der Besitzer des Mercedes, ein alter Oberst, verstorben ist, das Auto verschwunden, macht er sich an die 86jährige Witwe Svetlana heran, bei der er sich schließlich einmietet. Arkadji, ihren 60jähriger Sohn, hat sie in die Psychiatrie abgeschoben, wo Konrad sich in dessen Krankenakte verbeißt. Was das alles mit dem Auto zu tun haben soll, verstehen weder Leseteufel noch Auftraggeber.

Konrad gerät immer mehr in den Sog dieser undurchsichtigen Familiengeschichte, kann sie irgendwann nicht mehr trennen von seiner eigenen als ebenfalls ungeliebter, von seiner Mutter verlassener Sohn.

Das alles wirkt in seiner Irrationalität, von Träumen und Wahnvorstellungen durchwoben, durchaus suggestiv, reicht aber dem ambitionierten Autor nicht.

Und so müssen (deshalb die steinalte Svetlana) auch noch die deutschen Verbrechen in der Ukraine während der Nazizeit aufgearbeitet werden, samt einem alten schwulen Nazi-Onkel Konrads, der immer wieder zitiert wird und die Familiengeschichte reichlich verkompliziert.

Der klassische deutsche Selbsthass geht mit Kühl durch: “Slubice ist verdorbenes Slawentum, ein aufgegebenes deutsches Dorf, das noch zu keiner neuen Identität gefunden hat.” (S. 11) - “Wenn Slawen plötzlich deutsche Tugenden annehmen, werden sie unausstehlich”. (S. 85) - “Nach Osten fahren ist Wiedergeburt” (S. 457).

Kein Wunder, dass das alles kein gutes Ende findet.