Weite_Welt

Nabokov Vladimir

Pnin

Rowohlt, Hamburg 1994

Ernestam2

“Pnin” ist Band IX der gesammelten Werke Nabokovs, herausgegeben von Dieter E. Zimmer und für diese Ausgabe neu übersetzt. Ursprünglich erschien der Roman 1957 in Amerika auf Englisch, einer der ersten, den Nabokov in seiner neuen Sprache verfasste, und um Sprache geht es nicht zuletzt hier.
Ein anfangs nicht näher genannter Erzähler schreibt in mehreren Episoden über das Leben  des etwas ältlichen, schrulligen Slawistik-Professors Pnin, der  an einer amerikanischen Provinzuniversität ganze 15 Studenten an der Fülle seines Wissens über russische Geschichte und Literatur teilhaben lässt. Er führt eine randständige Existenz als Untermieter in ständig wechselnden Quartieren. Pnin verhält sich wie der typische russische Emigrant, spricht Englisch mit starkem russischem Einschlag, oft lautschriftlich genau wiedergegeben. Seine Kollegen machen sich einen Spaß daraus, ihn nachzuahmen und empfinden ihn als liebenswürdig seltsamen Kauz. 

In Rückblenden erfahren wir von seinem Leben im alten Russland und dann in der Sowjetunion, aus der er fliehen muss. Er bewegt sich ganz in seinem russischen Kultur- und Emigrantenkreis, ist andererseits naiv begeistert von allem Amerikanischen. Auch wenn im sehr ausführlichen Anhang bestritten wird, dass “Pnin” autobiographische Züge hat, so scheint mir doch, dass er gewissermaßen das alter ego Nabokovs darstellt, eine Existenzform, aus der sich Nabokov mühselig befreit hat.

Er karikiert Pnin kräftig, stellt ihn als einen Don Quichote dar, aber der Leser gewinnt ihn in seiner unbedingten Aufrichtigkeit und Naivität doch lieb, genau wie die Figur wohl auch Nabokov am Herzen lag. Denn in der ursprünglichen Fassung sollte Pnin am Ende, von der Universität verdrängt durch einen Slawisten V.N., sterben. Stattdessen lässt Nabokov ihn in seinem klapprigen Auto neuen Möglichkeiten zustreben.

Im Laufe der Geschichte mischt sich der Erzähler mehr und mehr ein und erklärt, woher er Pnin kennt und wie er ihn findet. Der erste Teil mit Pnin im Mittelpunkt ist allerdings erheblich intensiver, skurriler, in seiner sanften Ironie sehr berührend. Im zweiten Teil erfahren wir zuvieles über die Emigrantenszene, was Nabokov sicher ein Anliegen war, aber den Leser heute eher kühl lässt.