Leseteufel Deutsch

Charitas Bischoff

    Amalie Dietrich

Grote, Rastatt 1958

Precht

Auf einer Gartenausstellung wurde das Leseteufelchen auf den Namen der berühmtesten deutschen Naturforscherin aufmerksam, Amalie Dietrich, die im 19. Jahrhundert Pflanzen und Tiere sammelte und 10 Jahre Australien erforschte. 640 Pflanzenarten hat sie entdeckt, viele sind nach ihr benannt. Da fragt sich der Leseteufel schon, warum in 13 Jahren Schulbildung ihr Name nie gefallen ist.

 Ihre Tochter Charitas schrieb später eine Biografie über ihre Mutter. Das ursprüngliche Erscheinungsdatum ist unbekannt, aber da Amalie Dietrich 1891 starb, dürfte es um die Jahrhundertwende gewesen sein.

Es ist ein berührendes Zeitdokument. Anfangs liest es sich, der altmodischen Sprache und Ansichten wegen, sehr verstaubt, das Leseteufelchen wollte das Buch mehrmals zur Seite legen. Aber allmählich nimmt es doch gefangen, weil zwei Frauenschicksale der damaligen Zeit eindrucksvoll entfaltet werden.

Amalie stammte aus armen Verhältnissen in Sachsen. Sie wird als eigensinniges, ernstes Kind geschildert und blüht auf, als sich Wilhelm Dietrich, ehemaliger Apotheker und selbst ernannter Naturforscher, für sie interessiert. Auch er lebt in ärmsten Verhältnissen, begeistert aber Amalie mit seinen Naturforschungen, die in umfangreiche Sammlungen münden, mit deren Verkauf die beiden ihren Lebensunterhalt bestreiten. Als Charitas geboren wird, ist der Vater tief enttäuscht, denn nur ein Sohn könnte zu seinem Gehilfen und Nachfolger herangezogen werden. In der Folge gibt Amalie ihr Kind immer wieder zu fremden Leuten, um auf ausgedehnten Reisen, mit Hundekarren, Pflanzen und Tiere zu sammeln. Ihr Mann lässt sich derweil mit einer Haushaltshilfe ein.

Auf einer weiteren Reise bis nach Holland wird Amalie schwer krank. Als sie nach Monaten zurückkommt, hat ihr Mann eine Stelle als Erzieher im herzoglichen Haushalt angetreten, die einfache Amalie passt da nicht hin. Charitas muss für fremde Leute arbeiten.

Amalie sammelt verbissen weiter, bis ihr endlich in Hamburg Erfolg und Anerkennung zuteil wird und eine reiche Familie sich ihrer Tochter annimmt. Sie selbst bekommt vom Hamburger Reeder und Sammler Godeffroy den Auftrag, für 10 Jahre nach Australien zu gehen um dort Pflanzen, Tiere und Menschen (Knochen, Haut, Waffen) zu sammeln für ein Überseemuseum in Hamburg.

Die Tochter bettelt ihre Mutter verzweifelt, doch mitkommen zu dürfen, wird aber wieder einmal abgewiesen.

Das ist der traurige Kern der Geschichte: Wie diese immer wieder zurückgestoßene, verlassene Tochter trotzdem ihre Mutter liebt und glühende Briefe ins ferne Australien schreibt, um dann ein Vierteljahr später harsch und nüchtern zurechtgewiesen zu werden.

In Australien nennen sie Amalie Dietrich noch heute “Angel of Black Death”, weil sie auch vor den Leichen der Ureinwohner in ihrer Sammelwut nicht Halt machte.