Leseteufel Deutsch

Seethaler Robert

    Der Trafikant

Kein&Aber, Zürich 2013

Precht

Robert Seethaler (Jg. 1966) wuchs in Wien auf und machte sich als Schauspieler, Drehbuchautor und Schriftsteller einen Namen.

Als der Leseteufel anfing, über den 17jährigen Franz Huchel vom Attersee zu lesen, den seine Mutter 1938 nach Wien schickt, damit er eine Lehre als Trafikant bei bei dem einbeinigen Otto Trsnjek anfängt, einem Bekannten seiner Mutter, da war die Lesefreude groß. Seethalers Erzählduktus erinnerte an die Großen der Österreichischen Literatur, insbesondere an H. v. Doderer, der ja in “Die Dämonen” die allmähliche Durchwucherung der Wiener Gesellschaft durch den Nationalsozialismus aus eigener Erfahrung in bedrohlicher Dichte darstellte.

Seethaler auf S. 12: “Wie seit fast 40 Jahren - unterbrochen nur von einigen wenigen widrigen Ereignissen, wie dem ersten Weltkrieg oder dem Großbrand im Sägewerk - hatte Alois Preininger auch an diesem Sonntagvormittag am Stammtisch... verbracht..”

Und die Figur des naiven Franz, der in die große, ihm völlig unverständliche Welt hinausgeschickt wird, hat etwas vom “Taugenichts” (Eichendorff) an sich, besonders in seiner unbeholfenen Annäherung an die Frauen in der Gestalt der zwielichtigen jungen Böhmin Agnezka.

Aber zunehmend schleicht sich beim Leseteufel das Gefühl ein, hier benutze einer der Enkelgeneration die Nazis für eine allzu konstruierte Geschichte, in der auch noch der 80jährige Sigmund Freud auftreten muss, um dem Geschehen Bedeutung zu verleihen. Dass Franz die Hose des verhafteten Trsnjek auf dem Fahnenmast vor dem Gestapo-Gefängnis hisst, erfüllt schon den Tatbestand der Geschmacklosigkeit.

Daran ändern auch die Träume nichts, die Franz auf Anordnung des großen Seelendeuters Freud aufzeichnet und ans Ladenfenster klebt.