Leseteufel Deutsch

Kapitelman Dmitrij

    Russische Spezialitäten

Hanser, Berlin 2025

Precht

 Der Autor (Jg. 1986), geboren in Kyjiw, kam im Alter von acht Jahren mit seinen Eltern als jüdischer Kontingentflüchtling nach Deutschland und lebt heute in Berlin.

Er schreibt mit einem erstaunlichen Sprachwitz und treibt das Deutsche zu unerwarteten Kapriolen, so dass der Leser vom ersten Satz an von seiner autobiografischen Erzählweise gefesselt ist. Schon der Titel zeigt, wie doppelbödig fast jeder Satz ist, denn natürlich geht es Kapitelman um die russische “Spezialoperation” in der Ukraine, der er sich in konzentrischen Kreisen nähert, um im letzten Teil bei einem Besuch in  Kyjiw selbst das Grauen dieses mörderischen Krieges zu erleben, wenn auch nur als Anteil nehmender Beobachter. Als zweites steht der Titel für das “Magazin für russische Spezialitäten”, das seine Eltern in Leipzig lange Jahre betrieben haben.

 

Er muss von Beginn des Krieges an erleben, wie seine Mutter unbeirrt von den Fakten die russischen Medien verfolgt und ihre Sicht als die allein richtige übernimmt. So kann Kapitelman beide Seiten dieses Bruderkrieges beschreiben, was ihm wohl auch ein Anliegen ist.

Der erste Satz des Romans: “Der russische Wetterreporter warnt das russische Fernsehvolk. Und somit auch meine russische fernsehvölkische Muter.” (S. 7)

“Die Nächte braucht Mama, um die Zigaretten zu rauchen, die sie tagsüber nicht geschafft hat.” (S. 35)

“Dass ausgerechnet Ira das Leben verflogen ist, wer sollte es ahnen? Wenn sie mit ihrem stets gemächlichen Gang doch ein ganzes Jahrhundert aufzusparen schien.”(S. 95)

Ein Autor, den der Leseteufel im Auge behalten wird. Seinen Erstling “Das Lächeln meines unsichtbaren Vaters” steht als nächstes auf der “book list”.