Weite_Welt

de Winter Leon

Ein gutes Herz

Diogenes, Zürich 2013

Ernestam2

Leon de Winter (Jg 1954) ist ja ein arrivierter jüdischer Schriftsteller und auch Person des öffentlichen Lebens in den Niederlanden, der wegen seiner islamkritischen Haltung des öfteren angegriffen wurde, unter anderem offensichtlich massiv von dem vor 10 Jahren von einem Islamisten ermordeten Journalisten Theo van Gogh.

All dies gärte wohl seit langem in de Winter, und so schrieb er eine Art Schlüsselroman, in dem viele Personen seines Umfeldes auftauchen einschließlich seiner selbst; er schüttet genussvoll Spott über sich aus, den dicken, etwas trägen, Zeitung lesenden, ältlichen Herrn, wie ihn der 10jährige Sohn seiner Freundin Sonja sieht. In wechselnden Blickwinkeln entwickelt sich eine Handlung, beginnend mit den Mitgliedern einer Fußballmannschaft, die aus marokkanischen Einwanderern besteht und ein Attentat in Amsterdam plant. Am Ende sind alle mit allem kunstvoll verknüpft, das Bindeglied, natürlich, die schöne, leicht hysterische Sonja.

Am wenigsten überzeugend ist de Winter, wenn er den 10jährigen Jungen erzählen lässt, am brilliantesten, wenn der tote Theo van Gogh mit seinem Schicksal im Himmel hadert, wo er als Schutzengel für einen jüdischen Ex-Drogenboss arbeiten muss, der ein neues Herz bekommen hat und plötzlich gut werden will. Zum Ausgleich hören wir von Theo nur im Zusammenhang mit Unmengen Gauloises, die er pafft, während er gleichzeitig Unmengen Cognac trinkt, im Himmel alles möglich. Sein himmlischer Betreuer ist ein schwarzer Franziskanerpater aus Südamerika, von dem das neue Herz stammt.

Alles höchst absurd, höchst amüsant, weil in seiner Absurdität logisch zu Ende gedacht. De Winters Vorbild hier ist Hallgrimur Helgason mit “Vom zweifelhaften Vergnügen, tot zu sein”, wo ein Autor nach seinem Tod auf die Erde zurückkehrt und sieht, was er mit seinen Romanen alles angestellt hat. Aber ich bezweifle, dass de Winter sich dessen bewusst ist, dafür wäre er auch zu eitel.

Eine vergnügliche, von Einfällen sprühende Lektüre.