Weite_Welt

Pavic´ Milorad

Das Chasarische Wörterbuch

Hanser, München 1988

Ernestam2

Wie aus dem Klappentext hervorgeht, ist Pavic´Professor für Literatur in Belgrad, mit Schwerpunkt serbische Barockliteratur. Und dieser “Lexikonroman” zeigt deutlich barocke Züge, wenn er sich auch mit den Chasaren beschäftigt, die von 700 bis 1000 n.Chr. über ein Riesenreich zwischen Schwarzem Meer und Kaspischem Meer herrschten, hauptsächlich Handel trieben, wechselnden Religionen angehörten und um 861 wohl zum Judentum übertraten, aber auch andere Religionen in ihrem Reich duldeten. Vielleicht ist dies der Ausgangspunkt für Pavics Interesse an den Chasaren.

Es dreht sich alles um die verloren gegangene Chronik der Chasaren, die wieder zusammengefügt werden soll. Wie ein Puzzle dienen die drei Teile dieses Wörterbuchs, der christliche rote Teil, der muslimische grüne und der gelbe jüdische Teil, dazu, sich als Leser eine Gesamtchronik der Chasaren zusammenzustellen. Es treten historische Personen auf, chasarische Herrscher (Kagane), arabische Feldherrn und jüdische Rabbiner. Allerdings werden sie mit sagenhaften Eigenschaften ausgestattet, Teufel und Traumwächter mischen sich ein, die Handlung kreist um das Jahr 861, als der Kagan sich von Vertretern der drei Religionen beraten lässt, für welche er sich entscheiden soll. Historisch belegt ist wohl, dass die jüdische Religion den Sieg davon trug.

Ein anderes wichtiges Datum ist 1689. Während des türkisch-serbischen Krieges treffen da wieder drei Vertreter zusammen, um die Chasarische Chronik zu finden und schließlich wiederholt sich die Suche nach der wahren Chronik in einem Hotel in Istanbul 1982. Pavic´beginnt sein Lexicon Cosri, so der Titel der erhaltenen lateinischen Fassung, mit einer Art Motto: “Hier liegt jener Leser, der dieses Buch niemals öffnen wird, er liegt hier für immer begraben.” Schon eine gewisse Arroganz! Pavic´macht es dem Leser auch überhaupt nicht leicht, aber die Lektüre lohnt sich unbedingt. Er schreibt in einer sogar in der Übersetzung aus dem Serbischen so suggestiven Weise, dass wir hineingezogen werden in eine traum- oft alptraumartige Handlung und Szenerie, in der Vögel tot vom Himmel fallen, Träume in die Wirklichkeit eingreifen, alte mythische Elemente neu zusammengefügt werden. Ein wenig erinnert das an “Der blaue Kammerherr” von Wolf v. Niebelschütz, allerdings fehlt die Leichtigkeit und Grandezza. Hier ist alles erdenschwer, oft sehr düster, aber immer faszinierend. Jetzt muss ich das Buch unbedingt ein zweites Mal lesen und den Querverweisen folgen.