Weite_Welt

Beigbeder Frederic

Neunundreißigneunzig

Rowohlt, Hamburg 2001

Ernestam2

Was für ein Glück, dass der Leseteufel dieses Buch aus der Bücherei ausgeliehen und damit dem Autor gleich zu Beginn ein Schnippchen geschlagen hat. Denn der Titel dieses französischen “Skandalromans”, wie der Klappentext ihn nennt, ist die Botschaft, der Preis. Eigentlich ist das auch schon der Inhalt in einer Nussschale. Das Buch lässt sich fast so schnell lesen, wie man eine Joghurtschokolade genüsslich lutschen kann, und um letzteres geht es auch.

Aber ein paar Worte zum Autor dürfen nicht fehlen. Er ist in Neuilly sur Seine in eine großbürgerliche Familie geboren, hat eine privilegierte Ausbildung hinter sich und schrieb diesen, seinen vierten  Roman mit 35 Jahren, nachdem er 10 Jahre in einer großen Werbefirma gearbeitet hat. Diese wiederum stellte ihn sofort ein, als sein Debütroman erschienen war. Eine nicht ungeschickte Art des Bewerbungsschreibens.

 Hier handelt es sich also um einen Intellektuellen, der mit allen Wassern der Seine gewaschen ist. In “39.90” lernen wir Octave kennen, ein wenig sublimierter alter ego des Verfassers. Er leidet dekorativ daran, dass er als “master of the universe” mit seiner Werbung die Menschen besser beherrschen kann als Hitler oder jeder andere Diktator. Als Beweis zitiert er voller Hochachtung aus “Mein Kampf”. Wie es sich für einen nicht mehr ganz jungen Mann voller Weltschmerz und Zynismus gehört, hält er sich, den Job und alle anderen nur aus, indem er nachhaltig kokst, alles schlecht macht und herumrandaliert, bis ihn seine schwangere Frau verlässt und er seinen Job endlich verliert. Denn der ödet ihn an: Er muss einen Werbespot für ein Magerjoghurt machen, zu dem ihm nichts einfällt, was der faschistische, rassistische Großkunde auch goutiert.

Schließlich dreht er mit seinem Kumpel und einer Nutte in Florida den Werbefilm und verstrickt sich dort in einen recht sinnfreien Mord. Statt gefeuert zu werden, wird er befördert.

Hier sollte mit dem Kram Schluss sein, aber ähnlich wie Dave Egger`s “Staggering Genius” und der geistesverwandte Victor Pelewin kann er kein Ende finden, er hört sich so gerne reden, und wie in der Werbung hämmert er seinem ermatteten Leser die Botschaft wieder und wieder ein. Was tut der Leseteufel nur, der mangels regelmäßigen Fernsehgenusses die Message nicht nachvollziehen kann? Und, worin liegt der Skandal? An den sexuellen Vorlieben des Helden, die Frauen auf ihre primären Geschlechtsmerkmale reduzieren, wie es pubertierende Buben so an sich haben?