Weite_Welt

Bayard Pierre

Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat.

Kunstmann, München 2007

Ernestam2

Wer hinter diesem Titel einen weiteren wohlfeilen Ratgeber vermutet, der wird das Buch enttäuscht zur Seite legen, denn Bayard geht dem Problem des Lesens und Beurteilens von Büchern auf den Grund, mit literaturwissenschaftlichem Anspruch, schließlich ist er vom Fach. Er hat das Buch wohl geschrieben als Reaktion auf seine durch das Abarbeiten eines gewissen Literaturkanons hoffnungslos überforderten Studenten.

 Er belegt an Zitaten aus den großen Werken der Weltliteratur, dass das Nichtlesen eine lange Tradition hat und vielen erst ermöglicht, überhaupt über Literatur mit dem nötigen Abstand zu urteilen. Er beruft sich unter anderen auf Musil, Paul Valery,“den Meister des Nichtlesens” ( S. 34), Umberto Eco, Montaigne, aber auch auf Filme, wie “Groundhog Day”. Und die Theorie, die er mit Hilfe dieser Autoritäten aufstellt, hat etwas durchaus Verführerisches. So ordnet er die Bücher, über die er spricht, in “quergelesen”, “erwähnt”, “vergessen” - und, wenn der Leseteufel ehrlich ist, so fallen tatsächlich die meisten Lektüren in die letztere Kategorie, was das Sprechen über sie dem über “unbekannte Bücher”eigentlich gleichstellt.

Und es stimmt ja auch, dass die Entscheidung für das Lesen eines bestimmten Buches automatisch ein anderes Buch von der Lektüre ausschließt und somit ein Urteil über ungelesene Bücher mit beinhaltet. Bayard erwägt dies alles eloquent und elegant, auch in der Übersetzung ein Lesegenuss. Unbedingt empfehlenswert!