Englischsprachige Literatur

Brooks Geraldine

Das Pesttuch

btb/Random House, München 2004

Galbraith3

Der Originaltitel dieses historischen Romans lautet in Anlehnung an das Motto von Dryden “Year of Wonders. A Novel of the Plague”. Und wie in “The People of the Book” beruht die Geschichte auf einer wahren Begebenheit im Pestjahr 1665 im Peak District in England, als sich ein Dorf unter der Leitung seines Pfarrers in Quarantäne begab, um die Krankheit nicht weiterzutragen.

Erzählt werden die schrecklichen Vorgänge in Ich-Form aus der Sicht der jungen Magd Anna, die im Pfarrhaushalt dient. Schon vor Ausbruch der Pest führten die Dorfbewohner ein armseliges Leben. Annas Mann verunglückt in seiner Bleimine und lässt sie mit zwei kleinen Söhnen zurück. Als der Schneidergeselle George Viccars sich bei ihr einmietet, ist ihr das nicht nur aus finanziellen Gründen recht. Er macht ihr einen Antrag, stirbt aber kurz darauf an der Pest. Da er für viele Dorfbewohner gearbeitet hat, verbreitet sich die Krankheit rasch und die Gemeinde schwört, das Dorf nicht zu verlassen. Nur die noble Herrschaft flüchtet aus dem Herrenhaus.

Wie aus anderen Romanen über die Pest bekannt, werden schon bald die Dorfheilerin und ihre attraktive Nichte als Hexen umgebracht, worauf das Dorf ohne medizinischen Beistand auskommen muss, bis Anna und ihre Herrin Elinor sich in die Hinterlassenschaft der beiden weisen Frauen einarbeiten und deren Rolle übernehmen. Dabei werden sie immer mehr zu vertrauten Freundinnen. Anna lernt durch Elinor lesen und arbeitet sich in die medizinische Literatur, unter anderem eines arabischen Heilkundigen ein.

Anna verliert ihre beiden Söhne an die Pest, ihr Trunkenbold von Vater kommt unter grausamen Umständen zu Tode, ihre Stiefmutter wird über dem Verlust ihrer Kinder wahnsinnig. Nur Anna bewahrt ihren Mut, ihre vorbildliche Mitmenschlichkeit, die ihr Geraldine Brooks überreichlich mitgegeben hat. Trotzdem lauscht sie an Türen und kann so aus dem Pfarrhaus jedes intime Detail in ihrer Chroinik berichten, über deren Entstehen der Leseteufel seinerseits im Dunklen gelassen wird.

Als Annas Stiefmutter in einem Anfall von Wahnsinn die engelgleiche Elinor umbringt, verfällt der Pfarrer in Trauerstarre, die sich auch nicht löst, als die Pest endlich von dem Dorf ablässt. Erst Annas Liebe erweckt ihn wieder zum Leben und er gesteht ihr, dass er Elinor für eine voreheliche Affäre mit andauerndem Liebesentzug bestraft hat.

Anna hatte schon vorher an ihrem christlichen Gott zu zweifeln begonnen, jetzt ist es ganz aus. Hier kann Brooks ihre Ressentiments gegen den christlichen Glauben voll ausleben und tut dies auch, ohne Rücksicht auf etwaige Glaubwürdigkeitsprobleme ihrerseits, so dass der Roman vom Schluss her einen faden Nachgeschmack bekommt, denn Anna landet im Harem des oben erwähnten arabischen Mediziners in Oman.