Englischsprachige Literatur

Sackville-West Vita

Unerwartete Leidenschaft

Wagenbach, Berlin 2015

Galbraith3

Die britische Originalausgabe dieses Romans erschien 1931 mit dem Titel “All passions spent”, also inhaltlich genau das Gegenteil der deutschen Übersetzung. Aber ansonsten hat Hans B. Wagenseil schon 1948 das Buch kongenial übersetzt, aus heutiger Sicht etwas altmodisch und sehr elegant, was sicher den Ton der Verfasserin gut trifft, war sie doch (Jg. 1892) Mitglied einer der ältesten und reichsten Adelsdynastien Großbritanniens.

Es ist ratsam, den Roman zu lesen, ohne das Nachwort von Renate Schostack zu kennen, denn es relativiert im Nachhinein vieles, was beim ersten Lesen positiv berührt.

So ist Vita S. gerade 40 Jahr alt, als sie über die 88jährige Lady Slane schreibt, die gerade ihren berühmten Mann verloren hat. Ähnlich wie in dem weniger eleganten “Die unwürdige Greisin” von B.Brecht verhält sich die alte Dame mit sanfter Beharrlichkeit völlig anders, als ihre zahlreiche Kinderschar von ihr erwartet. Sie verkauft den Familiensitz und zieht in ein bescheidenes Haus, wo sie mit ein paar getreuen Freunden die letzten Jahre verbringt. Sie nimmt ihre zunehmenden gesundheitlichen Beschwerden erstaunt, aber gelassen zur Kenntnis, verbietet ihren Kindern, sie zu besuchen und lebt zum ersten Mal in ihrem Leben nach ihren eigenen Vorstellungen, so wenig aufregend dieses Leben auch sein mag.

Liest man dann das Nachwort, so lernt man die Autorin als mondäne, eigenwillige Person im Rampenlicht der Öffentlichkeit kennen, was so gar nicht zu der Person passt, die sie hier beschreibt, auch wenn Schostack behauptet, dass viel Autobiografisches in die Erzählung eingeflossen ist. Ob sie ihrer Mutter ein Denkmal gesetzt hat?