Englischsprachige Literatur

Katzenbach John

Der Professor

Droemer, München 2010

Galbraith3

John Katzenbach, Jg. 1950, ist ein routinierter Thrillerautor. Hier hat er, wohl angeregt durch einen alten Freund, dem er das Buch gewidmet hat, einen emeritierten Psychologieprofessor zu seinem Helden erkoren, ungewöhnlich deshalb, weil dieser Adrian Thomas gerade von seinem Arzt erfahren hat, dass er an einer seltenen, schnell fortschreitenden Form der Demenz leidet. Er ist fest entschlossen, sich das Leben zu nehmen, auch weil seine Liebsten, seine Frau Cassie, sein Bruder Brian und sein Sohn Tommy schon vor ihm gegangen sind. 

Da wird er Zeuge der Entführung der jungen Ausreißerin Jennifer. Als einzigen Beweis für seine Beobachtung findet er ihre rote Kappe. Die Ermittlerin Terri Collins weiß nicht recht viel mit dem verwirrten Professor anzufangen, die Mutter des Mädchen identifiziert zwar die Kappe, ist aber, wie ihr Therapeuten-Freund, keine Hilfe.

Da macht Adrian die Suche nach dem Mädchen zu seinem Projekt, unterstützt von seinen geliebten Toten, die ihm als hilfreiche Geister zur Seite stehen und die Ermittlung voran treiben. Diese liebenswürdige Konstellation ist die Stärke des ansonsten reichlich auf der Klaviatur von Sadismus und Voyeurismus spielenden Thrillers.

Von Beginn an erlebt der Voyeur-Leser in einer Art Snuff-Film, was das Entführerpärchen auf ihrer “Whatcomesnext”-homepage mit Jennifer=Nummer 4 so treibt, um die Gelüste seiner teuer bezahlenden Abonnenten auf der ganzen Welt anzustacheln. 

Der Leseteufel muss gestehen, dass er den Thriller ab der Mitte eher quer gelesen hat, weil die quälenden Szenen mit Jennifer zu abstoßend sind. Katzenbach ergeht sich in Macht- und Foltergelüsten, Sex interessiert ihn eher nicht.

Der Leser nimmt intensiv teil am Innenleben der Protagonisten. Adrian erhält Hilfe von einem entlassenen Kinderschänder, der ihn auf die entscheidende IP-Adresse bringt, so dass Adrian schließlich das Mädchen in einem blutigen, den Leser aber enttäuschenden Showdown befreien kann.

Viele Aspekte des Buches sind gut recherchiert, die Tatsache, dass dem dementen Professor mittels eines zum Helden mutierten Kriminellen gelingt, was die Polizei nicht kann, erfordert aber doch zu starken Glauben.